Wie sich das Beauty-Geschäft in Zeiten der Pandemie verändert hat

2022-04-29 18:00:27 By : Ms. Tina Tian

Schönheitspflege, in diesen Zeiten! Durch die Maske wird nicht nur «il disiato riso», wie Dantes Francesca da Rimini so schön sagte, der lächelnde Mund unsichtbar. Wenn du lächelst, lächelt die ganze Welt – das geht nicht mehr. Auch mit dem Lippenlesen ist es nichts mehr.

Die reizenden Grübchen, die sich beim Lächeln in den Wangen bilden, das feucht glänzende Korallenrot der Lippen, die schimmernd weissen Perlen der Zähne – der ganze ­–petrarkistische Schönheitskanon, der die Frauen zur strahlenden Preziose machte, weist nun ernsthafte Lücken auf.

Der Lippenstiftumsatz ist radikal zurückgegangen, denn der Lippenstift landet in der Maske. Die Augen dagegen haben enorm zugelegt. Fast orientalisch funkeln sie jetzt als Fenster zur Welt. Durch die Augen, wussten die Dichter der Renaissance bis Goethe, strömt die Liebe in die Seele. Deshalb sagen wir: Liebe auf den ersten Blick. Schon hat Amor sich ins Herz geschlichen. Und es gibt natürlich noch die wirklichen Virtuosen, die mit den Augen lächeln können. Das ist die begehrteste Tugend.

Mehr denn je setzt man jetzt auf die Wimpern, die mit den Cabaret-Girls der Zwanziger Einzug in den Schönheitskanon hielten und seit einem Jahrzehnt ein rasantes Comeback haben: falsche Wimpern, einzeln oder durchgängig, Wimpernver­längerer, blaue, violette, grüne Wimpern, wie Nachtfalter, stehen spätestens seit Michele Obama im Fokus. Über der Maske kann man die spektakulär bewimperten Augen wie einen Vorhang auf- und niederschlagen, für einen spektakulären Augenaufschlag gebogen tuschen.

In den Grossstädten sind mit Coiffeuren, Maniküre und Pediküre, Spas, Enthaarungs- und Bodyshapesalons, Schönheitssalons und tausend Arten, die Nägel zu lackieren und zu verzieren, Oasen entstanden, die im Dienste eines gepflegten, trainierten, schönen und schön geschmückten Körpers stehen. Viele dieser «körperna­hen» Dienstleistungen sind jetzt geschlossen, und viele finden sie, auch wenn sie geöffnet sind, zu gefährlich.

So hat sich das alles ins eigene Bad zurückgezogen. Dort muss man wieder Hand an sich selbst legen und lernen, was man sonst hatte andere machen lassen. Vielleicht fühlen wir uns beim Lackieren, Enthaaren, Feilen, Ausreinigen, Haaretönen und manchmal für ganz Mutige (Tollkühne sagen andere) sogar -schneiden, Augenbrauenzupfen, Ganzkörper-Schlamm, Peeling und Maske, Entspannungsbädern, auf Hometrainer und in Heimsauna und vollends beim Schminken in die Pubertät zurückversetzt, wo wir all das mit einer Freundin ausprobierten. Wenn ich daran denke, was das für ein Theater sein muss für all jene, die wöchentlich zum Haarewaschen und -legen zum Coiffeur gingen . . .

Und der Barbier ist trotz seiner steilen Opernkarriere und der weltweit herrschenden Bartmode von der Bildfläche verschwunden. Das machten die meisten Männer schon vor Corona zu Hause. Nie war es jedenfalls so wichtig, ja so überlebenswichtig, für das Schönmachen das Richtige im eigenen Bad zur Hand zu haben: die richtige Schere, den richtigen Wachs, Nagelfeile, Nagelöl, Bimsstein, Pinzette, Wimpern-Zange und vor allen Dingen: die richtigen Masken. Nein, nicht diese Corona-Dinger, sondern die, die man aufträgt, wenn man zu allem Überfluss von den FFP2-Masken auch noch Pickel bekommt.

Barbara Vinken ist Professorin für Allgemeine Literaturwissenschaft und Romanische Philologie an der LMU in München. Ein breites Publikum erreichte sie mit ihren Überlegungen zur deutschen Familienpolitik und zur Mode.

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