Hightech Beauty: Smarte Geräte für zu Hause boomen

2022-03-03 03:45:11 By : Ms. April Xu

Von der Schiene zur Zahnaufhellung über Geräte für Laser-Haarentfernungen bis hin zur Mikrodermabrasion: Schönheitsbehandlungen für zu Hause haben so stark an Beliebtheit gewonnen, dass Badezimmer beinahe schon kleinen Beauty-Salons gleichen. Immerhin knapp fünf Milliarden Schweizerfranken (Stand 2017: 4991 Millionen) geben Schweizerinnen und Schweizer laut dem Bundesamt für Statistik jährlich für Kosmetikprodukte aus.

Diese Zahl setzt sich zusammen aus günstigen Einwegprodukten wie Wattepads, luxuriöseren Crèmes – und Schönheitsbehandlungen durch Drittpersonen. Die Schönheitsindustrie hat viel investiert, um diese Dienstleistungen vermehrt nach Hause zu verlagern: neue Möglichkeiten, um sich in einem zunehmend überfüllten Markt, zu dem immer mehr unabhängige Labels stossen, einen Vorteil zu verschaffen.

Rund 20 Prozent, und damit der grösste Teil der Kosten des Gesamtbetrages, werden laut dem Schweizerischen Kosmetik- und Waschmittelverband für Gesichtspflege ausgegeben. Bei den meisten der Hightech-Geräte geht es denn auch darum, Dienstleistungen nachzuahmen, die normalerweise von einem Kosmetiker oder einer Dermatologin erbracht werden. Als Pionierin auf dem Gebiet elektrischer Gesichtsreinigung und -pflege gilt die schwedische Beauty-Tech-Firma Foreo.

Das Unternehmen brachte 2018 sein erstes auf künstlicher Intelligenz basierendes Gerät, den Luna Fofo, auf den Markt. Hrvoje Sarac, COO bei Foreo, spricht bezugnehmend auf 2019 vom erfolgreichsten Jahr in der siebenjährigen Firmengeschichte: «Wir haben nicht nur eine Vielzahl von Produkten auf den Markt gebracht, die die Augen der Menschen für einen neuen Standard der Hautpflege zu Hause öffneten, sondern das Jahr mit über 36 Millionen Kunden weltweit abgeschlossen.»

Die während des Lockdown mehrere Wochen geschlossenen Kosmetiksalons dürften dem Unternehmen weiter in die Hände gespielt haben. Der Schweizer Online-Shop Digitec Galaxus, der die Produkte von Foreo sowie auch etliche andere Beauty-Gadgets im Angebot hat, verzeichnet im Bereich Gesichtspflegegeräte ein Wachstum von 200 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (Januar bis August 2019 im Vergleich zu Januar bis August 2020).

Dass ein Online-Shop, der für sein Angebot an elektronischen Gadgets bekannt ist, für solche Hightech-Produkte eine beliebte Anlaufstelle ist, erstaunt wenig. Dazu noch in einer Zeit, in der Einkäufe, die für gewöhnlich noch immer gerne an Beauty-Countern getätigt werden, online bestellt wurden. Doch auch bei der französischen Parfümeriekette Marionnaud hört man von einem gesteigerten Interesse an allem, was über die «gewöhnliche Hautpflege» hinausgeht: «Es ist tatsächlich so, dass Beauty Tools, vom Jade-Roller und vom Gua Sha bis hin zu Hightech-Geräten wie dem Steampod, der Mikrostrom-Lichttherapie-Maske oder Massage- und Reinigungsgeräten derzeit boomen», lässt sich die Kette zitieren.

Die Vermutung liegt nahe, dass das verstärkte Selfcare-Bedürfnis, das bei vielen während des Lockdown in den Vordergrund getreten ist, der Produktkategorie Gadgets einen zusätzlichen Schub verpasst hat. Wellness für zu Hause liess sich nie zuvor so einfach monetarisieren.

Die Marktforschungsfirma CB Insights geht davon aus, dass der globale Markt für Schönheitsgeräte ein Potenzial von mehr als 74 Milliarden Dollar hat. Viele Kundinnen hegen den Wunsch nach dem perfekten, makellosen Teint, den sie von ihrem Online-Leben, dank Filter und Photoshop, bereits gewohnt sind. Um das zu erreichen, sind sie bereit, viel Geld und Zeit zu investieren.

Experten glauben deshalb, dass sich weniger Gelegenheitskonsumenten, sondern vielmehr jene Kundinnen und Kunden von den Geräten angesprochen fühlen, die auch sonst bereits überdurchschnittlich viel Geld für Kosmetikprodukte ausgeben. Erschwinglichkeit ist denn auch ein wichtiger Punkt, da die meisten smarten Schönheitsgeräte als Premium-Produkte positioniert sind. Die Gerätepreise von Foreo liegen zwischen etwa 100 und knapp 350 Schweizerfranken – bei den luxuriöseren Optionen anderer Anbieter können die Preise auch im vierstelligen Bereich liegen.

Das japanische Kosmetikunternehmen Sensai zum Beispiel hat erst kürzlich das elektronische Gesichtspflegegerät «Biomimesis Veil Diffuser» mit Mikrofasertechnologie lanciert, das den Plus/Minus-Unterschied zwischen Haut und Crème nutzen will, um Feuchtigkeit sowie die Inhaltsstoffe der Nachtpflege in der Haut zu versiegeln. Dabei wird vor dem Schlafengehen der transparente Mikrofaserfilm «Biomimesis Veil Potion» auf die Haut aufgesprüht, der vor Trockenheit und Reibung schützt.

Nach acht Stunden wird die Maske wie eine zweite Hautschicht vom Gesicht abgezogen. Kostenpunkt für eine dreimonatige Kur: 135 Franken plus natürlich die Anschaffung des Gerätes für 840 Franken. ­Damit will Sensai insbesondere «geräteaffine Personen mit entsprechender Kaufkraft» ansprechen. Das Alter dieses Abnehmerkreises spielt dabei keine Rolle.

Das Leben mit dem Smartphone als ständigem Begleiter hat diese Zielgruppe natürlich vergrössert: Wir sind es gewohnt, von unseren Handys in unseren Lebensgewohnheiten beobachtet und auf Wunsch auch unterstützt zu werden, sei es in der Ernährung, im Sport oder beim Schlafverhalten. Sowohl neuere Marken wie Foreo als auch alteingesessene Brands wie Oral-B setzen denn auch auf Geräte, die sich mit einer App verbinden lassen. Die neue interaktive elektrische Zahnbürste «iO» von Oral-B etwa begleitet den Putzprozess in Echtzeit, speichert Fortschritte, lobt und tadelt.

Das passt in eine Zeit, in der viele Konsumentinnen und Konsumenten hauptsächlich über die sozialen Netzwerke auf Produktneuheiten aufmerksam werden. Was früher Sendungen auf Shopping-Fernsehkanälen waren, sind heute Live-Tutorials und ­Produktempfehlungen auf Instagram. Eines der weiterhin einflussreichsten Gesichter hinter dieser Beauty-Community-Strategie ist die amerikanische Schauspielerin Gwyneth Paltrow mit ihrem Beauty-Imperium Goop.

Ein Beitrag geteilt von Gwyneth Paltrow (@gwynethpaltrow) am Okt 9, 2020 um 4:24 PDT

Auf ihrem Instagram-Profil bewirbt sie verschiedenste Kosmetik- und Wellnessprodukte, die sie in ihrem eigenen Shop gleichzeitig zum Verkauf anbietet. Hinter all dem steckt das Versprechen, dass jede Kundin – sofern sie ihrem Rat folgt und über das nötige Budget verfügt – ebenso schön aussehen kann wie sie. Gemäss amerikanischen Medienberichten ist die durchschnittliche Goop-Konsumentin 34 Jahre alt und hat ein jährliches Einkommen von mehr als 100 000 Dollar.

Paltrows Kaufempfehlungen sind oft esoterisch geprägt, doch ist die ­Kalifornierin auch Wissenschaft und Technik nicht abgeneigt. In ihrem Online-Shop erhältlich ist beispielsweise die vielfach ­gehypte Gesichtsmaske von Dr. Dennis Gross Skincare. Die Hightech-Maske verwendet «akneaufhellendes Blaulicht und kollagenverstärkendes Rotlicht», um Linien und Falten zu minimieren.

Ob LED tatsächliche reife Haut verjüngen kann? Sind wir doch hier genau wieder bei jenem Versprechen, mit dem die Beauty-Branche wirbt, seit es sie gibt und das sie bereits mit unterschiedlichsten Produkten einlösen wollte.

Lara Schurter, Inhaberin des Zürcher Kosmetiksalons Green Lane, ist von der Lichttherapie überzeugt. Auch für sie ist es kein Problem, Naturkosmetik mit Hightech zu kombinieren: «LED-Geräte helfen, feuchtigkeitsspendende Produkte, wie zum Beispiel Hyaluronsäure, tiefer in die Haut einzuarbeiten.» Allerdings zweifelt sie an der Effektivität solcher Behandlungen fürs heimische Badezimmer.

«LED-Geräte für zu Hause dürfen nicht so stark sein wie jene aus dem medizinischen Bereich, für die eine Ausbildung und ein Diplom erforderlich sind», sagt Schurter. In der Regel behandle sie eine Hautstelle während 15 Minuten mit LED-Licht. Den zeitlichen Aufwand, der zu Hause erforderlich wäre, schätzt sie um einiges höher ein. «Ob jemand dann wirklich zwei Stunden unter einer solchen Lampe verbringt, bezweifle ich.»

Ebenfalls mit Lichttherapie, in Kombination mit Elektrostimulation, funktioniert die Maske von Talika. Nebst Blau- und Rotlicht soll oranges Licht dazu noch Falten verhindern, während grünes Pigmentstörungen mindern soll. Die Technologie dahinter basiert laut Hersteller auf den Arbeiten der Nasa und der Erkenntnis, dass jede Wellenlänge eine spezifische kosmetische Wirkung habe.

Damit das Gerät seine volle Wirkung entfachten kann, muss also zuerst eruiert werden, was der Haut fehlt. «Es kommt vor, dass Leute zu mir kommen, die über starke Akne klagen, dabei zeigt sich bei der Untersuchung, dass sie viel eher über äusserst trockene Haut verfügen,» so Schurter. Sie empfiehlt deshalb, sich vor Anwendung solcher Spezialgeräte immer erst von einem Dermatologen oder einer Dermatologin beraten zu lassen.

Um Konsumenten auch diesen Service anzubieten, experimentieren immer mehr Beauty-Marken auch mit künstlicher Intelligenz und Augmented Reality. Eine eher simple Methode etwa verwendet Clinique mit ihrer neuen Produktelinie Clinique ID: Um das richtige Produkt zu finden, lädt man ein Selfie-Bild von sich hoch. Daraufhin wird automatisch das Hautbild analysiert, innert Sekunden erfährt man die Bedürfnisse der Haut und die laut Clinique dazu passenden Produkte.

Noch weiter geht L’Oréal, die derzeit grösste Kosmetikherstellerin der Welt: Anfang Jahr stellte sie an der Consumer Electronics Show (CES) 2020 in Las Vegas ihr neustes Produkt Perso vor – ein auf künstlicher Intelligenz basierendes Gerät zur Herstellung von personalisierten Hautpflegeprodukten, Lippenstiften und Make-up. Via Smartphone werden Hautbeschaffenheit, Luftqualität und weitere Umweltdaten laufend erfasst und analysiert, damit die Produktempfehlungen im Laufe der Zeit immer wieder angepasst werden können.

Ein Beitrag geteilt von L'Oréal (@loreal) am Okt 9, 2020 um 9:13 PDT

«Unser Ziel ist es, L’Oréal zum führenden Unternehmen im Bereich Beauty Tech zu machen – und Perso ist der nächste Schritt auf diesem spannenden Weg», sagt der stellvertretende CEO Nicolas Hieronimus. Die Lancierung ist auf das Jahr 2021 geplant.

Werden wegen solcher Hightech-Geräte also Behandlungen und Beratungen in Kosmetikstudios bald der Vergangenheit angehören? Darüber macht sich Schurter keine Sorgen. Sie ist davon überzeugt, dass – gerade im Umgang mit Hightech-Geräten – entsprechendes Know-how und ein professioneller Umgang weiter gefragt sind, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen.

Philips «Lumea Prestige»-Haarentfernungsgerät mit Intense-PulseLight-Technologie (IPL) entfernt Haare langfristig und verhindert ihr Nachwachsen. Geeignet für alle Haartypen ausser weiss, rot und hellblond. Neu auch für Männer erhältlich.

Die Zahnbürste «iO Serie 9» von Oral-B zeigt exemplarisch, wie intelligent smarte Geräte mittlerweile sind. Via App wird das Zähneputzen begleitet und dokumentiert, wie lange und wie gründlich geputzt wurde – Lob und Tadel inklusive.

Die Gesichtsmaske von Dr. Dennis Gross will mit über 150 blauen und roten LED-Lampen Falten, Pigmentflecken und Unreinheiten mindern und die Elastizität der Haut verbessern. Das Gerät soll täglich drei Minuten lang genutzt werden.

Die besten Artikel aus «NZZ Bellevue», einmal pro Woche von der Redaktion für Sie zusammengestellt: Jetzt kostenlos abonnieren.

Copyright © Neue Zürcher Zeitung AG. Alle Rechte vorbehalten. Eine Weiterverarbeitung, Wiederveröffentlichung oder dauerhafte Speicherung zu gewerblichen oder anderen Zwecken ohne vorherige ausdrückliche Erlaubnis von Neue Zürcher Zeitung ist nicht gestattet.